Brief 7 - Wie viel Schärfe braucht es?

Liebes Paar,

„wollen wir leiden?“ wird sich in der Sendung Quarks gefragt. Denn wir Menschen sind, im Gegensatz zu allen anderen Säugetieren, die einzigen, die sich den Schmerz von Chilis freiwillig zufügen. Ja ihr habt richtig gelesen: Ja, den Schmerz, nicht den Geschmack. Schärfe ist mit Blick auf die körperlichen Mechanismen tatsächlich keine Geschmacksrichtung, sondern fügt schlicht Schmerz zu. Eine Theorie, warum wir Menschen uns das trotzdem antun, geht verkürzt so: Wenn die Schmerzrezeptoren aktiviert werden, legt der Körper mit Maßnahmen zur Schmerzhemmung los. Neben den Stress-Hormonen werden dabei auch Glückshormone ausgeschüttet. Diese hormonelle Ambivalenz macht den „Kick“ aus, den – einige mehr, andere weniger -, bei scharfem Essen bekommen.

Sich freiwillig Leid anzutun, klingt auf den ersten Blick wenig sinnvoll – und was hat das eigentlich mit Partnerschaft zu tun? Nun, über eine gewisse Schärfe freuen sich Paare ja sogar und wenn man zueinander sagt „Ich finde dich scharf“, ist damit in der Regel auch nicht gemeint „du bereitest mir Schmerzen“.

Geschmack und Schmerz, Schärfe und Genuss – was auf den ersten Blick nicht zusammenpasst, scheint irgendwie doch zusammen zu gehören und ist manchmal gar nicht so leicht voneinander zu trennen. Das ist beim Essen so, und in der Partnerschaft auch – übrigens genau wie im christlichen Glauben auch. Denn diese Ambivalenzen gehört zum Kern des Hochfests Ostern.

Jedes Jahr aufs Neue kommt Karfreitag – was für eine Zumutung! Jedes Jahr führen sich Christen rund um ihren höchsten Feiertag plastisch vor Augen, wie Jesus gedemütigt, gefoltert, währenddessen von herumstehenden Menschen verachtet und dann brutal ermordet wird. Braucht es das wirklich? Warum nicht direkt Ostersonntag? Sofort Auferstehung feiern und bunte Eier suchen, statt erst Verurteilung und Foltermord!

Ich formuliere mal verknappt: Ohne Tod am Kreuz, keine Auferstehung! Im Bild gesprochen: Ohne Schärfe, nicht das erlösende Gefühl danach. Und mit Blick auf die Partnerschaft: ohne Auseinandersetzung, keine Versöhnung.

Ringen um Harmonie

Manchmal ringen Paare mit viel Aufwand und Energie um Harmonie und wollen jede Schärfe in der Beziehung vermeiden. Jemand hat das mal so zugespitzt: Harmonie ist das Nebenprodukt von Auseinandersetzung. Echte Harmonie, echtes Ostern, geht eben nicht ohne Karfreitag.

In anderen Bereichen wissen wir das ganz intuitiv: Die Brotzeit auf der Hütte schmeckt dann richtig gut, wenn wir den Berg unter Anstrengung hochgewandert sind, und nicht direkt aus der Seilbahn auf die Bank fallen. Das Projekt, für das ich mich richtig ins Zeug gelegt und mir auch mal schwere Gedanken gemacht habe, erfüllt mich mehr, wenn es klappt, als jenes bei dem von vornherein klar war, wie es laufen muss. In der Beziehung muss Schärfe übrigens nicht immer ein beißender Kommentar oder ein handfester Konflikt sein. Auch Witze übereinander oder kleine Abenteuer und Unsicherheiten können Schärfe reinbringen.

Auch die schwierigen Zeiten, die meine Partnerin und ich erlebt haben, habe ich als Schärfen erlebt – und deutlich in Erinnerung. Das waren Zeiten zum aneinander Wachsen und Reifen. Zugegebenermaßen, das hat sich währenddessen nicht immer so angefühlt. Da überwiegt auch mal der Schmerz.

Gerade in solchen Zeiten ist es gut, um einen Gott zu wissen, der mir und uns dann erst recht nah ist. Deshalb ist mir Karfreitag so wichtig: Wenn Jesus ein ausschließlich mildes, wohlschmeckendes Leben ohne jede Schärfe geführt hätte, wie sollte ich in meinen schwierigen Zeiten die Gewissheit haben, dass er gerade dann bei mir ist?

Der Reiz von Schärfen liegt in dem, was mit ihnen kommt: Erlösung, Harmonie, Wachsen, Reifen …

Deshalb wünsche ich euch scharfe und frohe Ostern!
David Hunold

Schärfe

Schärfe

Eine Nacht, eine Parkbank,
zwei leere Gläser,
viele ausgetrunkene Stunden,
Tränen und Wut.

Ein Bett, ein Morgen,
zwei Menschen,
wunderbar zerwühltes Glück,
Blicke und Berührung.

Wo ist die Schärfe geblieben?
Wo ist deine Wut?


Du hattest sie auf der Bank gelassen.
Der Stuhl ist geblieben.

Das Bewusstsein für Schärfe schärfen

Einige Menschen reagieren sehr sensibel auf Schärfe, andere brauchen löffelweise Tabasco, um etwas zu schmecken. Auch bei der Wahrnehmung von Schärfe in Beziehungen sind wir unterschiedlich sensibel. Wo nimmst du Schärfe besonders schnell und sensibel wahr? Wo ich? Auf den Chilis seht ihr verschiedene Begriffe. Jeder Begriff steht für einen Bereich, in dem Schärfe entstehen kann. Sucht euch jede:r die drei aus, bei denen ihr besonders schnell Schärfe wahrnehmt und erklärt euch, warum. Dabei ist es gut, wenn ihr konkrete Situationen nennt und nicht von „immer“ oder „nie“ redet. Bei der nächsten scharfen Situation habt ihr sie vielleicht im Kopf und könnt die Schärfe dann passender dosieren.



Es gibt noch eine besondere Chili, die ihr am besten beide ausfüllt …:


Liebes Paar,

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Bildquelle: ©Patrick Schoden / www.patrickschoden.gallery